Die Initiative zur Verlegung von Stolpersteinen in Neidenstein entstand im Jahr 2008 innerhalb der Projektgruppe „Judentum im Kraichgau“ an der Realschule Waibstadt. In enger Zusammenarbeit mit dem Verein „Jüdisches Kulturerbe im Kraichgau e. V.“ sowie des Heimatvereins Neidenstein erfolgte die Recherche von Opfern des Nationalsozialismus, die in Neidenstein lebten. Am 13. Oktober 2010 fand schließlich die Verlegung der Steine statt.
Stolpersteine sind Gedenksteine, welche an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern. In Form und Größe entsprechen sie Pflastersteinen. Ein Stolperstein nennt Namen und wichtigste Lebensdaten eines Opfers. Er wird vor dem Haus, in welchem ein Opfer lebte, in den Gehweg eingelassen. Auf diese Weise wird die Erinnerung an Menschen aufrecht erhalten, welche zurzeit des Nationalsozialismus verfolgt wurden und unsägliches Unrecht erlitten. Diese Initiative geht auf den in Köln lebenden Künstler Gunter Demnig zurück, der die Stolpersteine herstellt und in aller Regel persönlich vor Ort verlegt. Inzwischen gibt es in mehr als 500 Orten Deutschlands Stolpersteine. Für sein Engagement erhielt Gunter Demnig das Bundesverdienstkreuz. Die Finanzierung von Stolpersteinen erfolgt ausschließlich durch Spendengelder, wobei sich Die Kosten pro verlegtem Stein auf 95 € belaufen.
In Neidenstein war eine der größten und traditionsreichsten jüdischen Landgemeinden Badens ansässig. Zeitweilig war in Neidenstein jeder dritte Einwohner jüdischen Glaubens. Die Höchstzahl jüdischer Einwohner wurde im Jahr 1842 mit 281 Personen erreicht. Noch 1933 – zu Beginn der Herrschaft der Nationalsozialisten – lebten in Neidenstein 63 Juden, so dass sich ihr Anteil an der gesamten Einwohnerschaft auf 7,6 % belief. Entsprechend hoch war in Neidenstein auch die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus.
Stolpersteine werden in aller Regel in öffentlichem Raum verlegt – in den meisten Fällen auf dem Gehweg vor dem Haus eines Opfers. Daher ist die Zustimmung des politischen Entscheidungsträgers erforderlich. Schüler der Projektgruppe „Judentum im Kraichgau“ erhielten die Gelegenheit, im Neidensteiner Gemeinderat ihre Initiative zu präsentieren und zu erläutern. Im April 2010 stimmte schließlich der Gemeinderat mit überwältigender Mehrheit – bei nur einer Gegenstimme – zu. Die Zustimmung war allerdings mit einer einschränkenden Bedingung verknüpft: Stolpersteine konnten nur vor Häusern verlegt werden, deren Bewohner sich damit einverständen erklärten.
Die recherchierten zwanzig Opfer des Nationalsozialismus verteilen sich in Neidenstein auf acht Häuser. Die von der Projektgruppe „Judentum im Kraichgau“ durchgeführte Befragung der Bewohner führte bei vier Adressen zu einer Zustimmung zur Verlegung der Stolpersteine, bei vier weiteren Häusern zu einer Ablehnung. Für die Hälfte der recherchierten Opfer konnte daher kein Gedenkstein angebracht werden.
Die Verlegung der Stolpersteine nahm Gunter Demnig am Morgen des 13. Oktober 2010 unter reger Teilnahme der interessierten Öffentlichkeit vor. Neidenstein war damit die 597. Gemeinde, welche mit Stolpersteinen den Opfern des Nationalsozialismus ein Denkmal setzt. Klaus Sauer, der Schulleiter der Realschule Waibstadt, würdigte in seiner Ansprache das Engagement und die akribischen Recherchen der beteiligten Schüler und dankte den betreuenden Lehrern und außerschulischen Partnern. Bürgermeister Peter Reichert äußerte in seiner Rede die Hoffnung, dass vielleicht „.. auch die Stolpersteine für die anderen Opfer irgendwann im Ort ihren Platz finden …“ werden.
„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“ (Gunter Demnig).
In Neidenstein wird die Erinnnerung an zehn ehemalige Mitbürger durch Stolpersteine wach gehalten:
Herrmann, Siegfried | 22.10.1940: Deportation nach Gurs 14.08.1942: Deportation nach Auschwitz Ermordet in Auschwitz |
Bergstr. 32 |
Herrmann, Irma | 22.10.1940: Deportation nach Gurs 14.08.1942: Deportation nach Auschwitz Ermordet in Auschwitz |
Bergstr. 32 |
Jakob, Wolf | Deportation nach Theresienstadt Deportation nach Treblinka Ermordet in Treblinka |
Bergstr. 32 |
Dührenheimer, Alfred | 22.10.1940: Deportation nach Gurs 20.01.1941: Gestorben in Gurs |
Bahnhofstr. 31 |
Dührenheimer, Mathilde | 22.10.1940: Deportation nach Gurs Flucht nach USA 28.09.1965: Gestorben in New York |
Bahnhofstr. 31 |
Mayer, Alex | 22.10.1940: Deportation nach Gurs 10.08.1942: Deportation nach Auschwitz Ermordet in Auschwitz |
Bahnhofstr. 59 |
Mayer, Jenny | 22.10.1940: Deportation nach Gurs 10.08.1942: Deportation nach Auschwitz Ermordet in Auschwitz |
Bahnhofstr. 59 |
Mayer, Lehmann | 22.10.1940: Deportation nach Gurs 02.04.1941: Gestorben in Gurs |
Bahnhofstr. 59 |
Jakob, Hermann | 22.10.1940: Deportation nach Gurs 14.08.1942: Deportation nach Auschwitz Ermordet in Auschwitz |
Daisbacher Str. 23 |
Jakob, Betty | 22.10.1940: Deportation nach Gurs 14.08.1942: Deportation nach Auschwitz Ermordet in Auschwitz |
Daisbacher Str. 23 |
Böbel, Georg Friedrich | 23.10.1940: Deportation nach Grafeneck Ermordet in Grafeneck |
Bahnhofstr. 57 |
Jakob, Seligmann | 22.10.1940: Deportation nach Gurs Deportation nach Rivesaltes 23.12.1941: Gestorben in Rivesaltes |
Bahnhofstr. 1 |
Jakob, Meta | 22.10.1940: Deportation nach Gurs Flucht Gestorben in Israel |
Bahnhofstr. 1 |
Jakob, Ruth | 22.10.1940: Deportation nach Gurs Flucht Gestorben 1973 in New York |
Bahnhofstr. 1 |
Mayer, Ludwig | 22.10.1940: Deportation nach Gurs 23.08.1943: Gestorben in Alboussière |
Eschelbronner Str. 4 |
Mayer, Berta | 22.10.1940: Deportation nach Gurs 07.03.1944: Deportation nach Auschwitz Ermordet in Auschwitz |
Eschelbronner Str. 4 |
Löbmann, Gutta | 22.10.1940: Deportation nach Gurs 30.05.1944: Deportation nach Auschwitz Ermordet in Auschwitz |
Kirchgraben 12 |
Würzweiler, Julius | 22.10.1940: Deportation nach Gurs 12.08.1942: Deportation nach Auschwitz Ermordet in Auschwitz |
Kirchgraben 3 |
Würzweiler, Emmy | 22.10.1940: Deportation nach Gurs 29.03.1942: Gestorben in Gurs |
Kirchgraben 3 |
Würzweiler, Kurt | 1936: Flucht in Niederlande 1941: Deportation nach Mauthausen Ermordet in Mauthausen |
Kirchgraben 3 |